Was sind Essgewohnheiten?
Essgewohnheiten sind deine eigenen persönlichen Verhaltensmuster, die du in Zusammenhang mit dem Thema Essen und Ernährung über dein Leben hinweg entwickelt hast.
Dazu gehört zum einen das, was du isst. Also welche Lebensmittel du gerne isst und auch eventuelle Ernährungsweisen wie bspw. die vegetarische oder vegane Ernährung.
Zum anderen gehört dazu, wann du isst. Gibt es für dich feste Mahlzeitenzeiten. Isst du am Wochenende immer anders als in der Woche? Verbietest du dir vielleicht ab einer gewissen Uhrzeit zu essen?
Zudem gehört zu deinen Essgewohnheiten auch, wie du isst. Bist du eine schnelle Esserin oder isst du eher langsam. Genießt du dein Essen bewusst? Bist du achtsam dabei? Oder geschieht Essen bei dir eher nebenbei? Hast du dein Handy beim Essen immer in der Hand oder schaust du Fernsehen? Isst du am Schreibtisch oder im Stehen?
Wo du isst, gehört ebenfalls dazu. Hast du einen festen Essensplatz zuhause? Isst du am Tisch oder im Auto? Isst du unterwegs, am Schreibtisch oder auf dem Sofa?
Und der letzte Aspekt, um den es auch in diesem Artikel geht, ist, warum isst du? Hast du Hunger? Isst du aus Appetit? Bringen dich Stress dazu zu essen oder Essen zu vergessen? Isst du aus Langeweile oder vielleicht aus Gewohnheit?
Egal, wie deine individuelle Essgewohnheit aussieht, es ist okay. Es geht hier nicht darum, direkte gute und schlechte Essgewohnheiten zu definieren. Wichtig zu erkennen, dass Essen mehr ist als Kalorien und Nährstoffe in Form von Lebensmitteln zu sich zu nehmen.
Essgewohnheiten sind durch verschiedenste Dinge geprägt. So spielen kulturelle, familiäre, Einflüsse eine Rolle. Aber auch emotionale und durch den eigenen Alltag geprägte Einflüsse spielen beim eigenen Essverhalten eine Rolle.
Essgewohnheiten – Essen ist gelernt
Ernährung und das eigene Essverhalten sind erlernt und der Prozess fängst bereits im Mutterleib an. Die Entwicklung kann in 6 Phasen eingeteilt werden:
Phase | Ernährung- und Essverhalten |
1 | Vor Geburt, Nährstoffzufuhr über die Nabelschnur im Mutterleib. |
2 | Ab Geburt, Aktiv saugt Säugling Milch, gesteuert von Reflexen. Physiologische und emotionale Hunger wird ein einem Prozess gestillt. |
3 | Säugling saugt weniger Milch, beginnt feste Nahrung zu sich zu nehmen, Trinken aus dem Glas/Becher. Essen wird gelernt. Neugierde kommt dazu. |
4 | Langsamer Abschied vom Saugen. Essen wird stückiger, fester. Kinder essen mit den Eltern gemeinsam oder selbstständig. Zur Neugierde kommt der Spaß am Essen und das Imitieren. Essen in Gemeinschaft. |
5 | Selbstständige Essen wird mehr. Essen mit Besteck. Alle essen das Gleiche. Gegessen wird aus Hunger und Durst. Dazu kommt Appetit, Motive wie Beschäftigung, Gemeinschaftserleben, Essensneid und Trotz haben Einfluss auf Essverhalten. Physiologischer Hunger wird über Lebensmittel, Kalorien und Nährstoff gestillt. Emotionaler Hunger über Kontakt und Kommunikation bei gemeinsamen Mahlzeiten. |
6 | Mahlzeiten werden selbstständig und eigenständig organisiert. Alleine essen, mit Freunden, in der Schule, unterwegs und in der Familie. Motive wie Image, Abgrenzung von den Eltern, Trends, Ideale spielen eine Rolle. Dazu kommen Aspekte wie Ökologie, politische und soziale Werte. |
Bis auf den Übergang zwischen der ersten und zweiten Phase sind alle Übergänge fließend und zu begleiten, um ein gesundes Essverhalten voller Genuss zu erlenen. In diesem Prozess ist es enorm wichtig, dass wir lernen uns selbst und unserem Körper zu vertrauen. Das ist die gesunde Basis für ein späteres freies und entspanntes Essverhalten.
Diese Phasen zeigen, dass du dein Ess- und Ernährungsverhalten über dein bisheriges Leben hinweg gelernt hast und es wohlmöglich viele Ursprünge in deinem Kindes- und Jugendalter gibt. Deshalb ist es hilfreich, die deine eigene Essgeschichte anzuschauen und dir bewusst zu machen, wie es denn bei dir war.
Essgewohnheiten erkennen – Bewusstsein ist der erste Schritt
Die wichtigste Frage ist in diesem Zusammenhang: Warum mache ich eigentlich? Und diese Frage wirst du wahrscheinlich im ersten Moment gar nicht beantworten können. Darum geht es auch nicht. Deine Essgewohnheiten zu verändern ist ein Prozess, ein Weg auf dem du dich selbst immer besser kennenlernst und so immer sicherer wirst, dir immer mehr vertraust und es immer leichter wird. Sodass du irgendwann selbstbestimmt und frei über dein Essen entscheiden kannst, im Einklang mit deinem Körper und deinem Alltag.
Gute vs. Schlechte Essgewohnheiten
Gibt es nicht. Es gibt Gewohnheiten, die sich vielleicht nicht richtig gut anfühlen, die du aber trotzdem machst. Beispielsweise den Teller immer leer zu essen, obwohl du schon satt bist. Oder bei deiner Oma immer noch ein weiteres Stück Kuchen zu essen, obwohl dir ein Stück vollkommen ausreichen würde. Oder nach 18 Uhr nichts mehr zu essen, obwohl du danach noch Hunger hast.
Das würdest du vielleicht als „schlechte“ Essgewohnheiten betrachten. Diese Gewohnheit ist per se nicht schlecht. Irgendwann hat sie dir vielleicht sogar mal gutgetan. Es gibt (gute) Gründe, warum du dich so verhältst. Irgendetwas hast oder hattest du davon, denn sonst würdest du es nicht mehr machen.
Anstatt also dein Verhalten in gut und schlecht einzuordnen, schau lieber, welche Gewohnheit tut mir im meinem jetzigen Leben gut, welche weniger und welche möchte ich gerne verändern?
Zu sehen, dass du etwas nicht aus Dummheit oder aufgrund fehlender Willenskraft machst, ist schon sehr hilfreich dabei, aus der Bewertung herauszukommen.
So isst du vielleicht immer den Teller leer, weil du es so gelernt hast oder weil du nichts wegschmeißen möchtest oder weil du es schon immer so gemacht hast.
So isst du bei deiner Oma vielleicht immer ein zweites Stück Kuchen, weil du ihr zuliebe den Kuchen essen möchtest. Weil du deine Oma liebst und sie sich so viel Mühe bei dem Kuchen gegeben hat.
So isst du nach 18 Uhr nichts mehr, weil du der Überzeugung bist, so endlich abzunehmen und du nur genügend Willenskraft brauchst, um das durchzuhalten. Deine Freundinnen machen das ja auch so, sagen sie.
All diese „schlechten“ Essgewohnheiten haben ihre Gründe. Und genau da darfst du ansetzen. Schau hin, was sind deine Gründe, warum du (nicht) isst.
Beobachte dich
Deine Gründe erfährst du, wenn du anfängst dich zu beobachten. Du kannst dir vorstellen, wie du dich von außen betrachtest und dich beobachtest bei dem, was du tust. Nun beobachtest dich aber nicht nur von außen und schaust, was du machst. Du beobachtest auch deine Gedanken und Gefühle dabei. Meine Empfehlung ist hier schon mal, schreibe dir diese Dinge auf.
Zudem ist es wichtig, dich ohne Bewertung zu beobachten. Stell dir vor, du bist eine neutrale Detektivin, die einfach super neugierig darauf ist, wie du so tickst.
Bring hier auch gerne Leichtigkeit, Freude und Spaß rein. Nimm dich nicht so ernst und versuche Sätze wie: „Oh Gott, bin ich blöd“ zu ersetzen durch „Ah, das ist ja interessant, dass ich immer den Teller leer essen muss“.
Bewusstsein schaffen
Warum mache ich das eigentlich? Indem du anfängst, dich selbst zu beobachten, wirst du dir automatisch ein Bewusstsein darüber schaffen. Du kannst dir dann Fragen stellen, wie „Mache ich das eigentlich immer so?“ oder „Wann mache ich das anders? Wieso? Was ist hier anders?“ oder „War das eigentlich schon immer so? Wenn nein, was war früher anders?“
Sich selbst bewusst zu werden und Achtsamkeit zu üben, hilft dir dabei, dir selbst klar zu werden über deine eigenen Muster und Gewohnheiten und zwar ohne darüber zu urteilen.
Essgewohnheiten verändern – Langfristig und dauerhaft
Wenn du dir ein Bewusstsein über deine Essgewohnheiten gemacht hast, dann ist das schon der erste Schritt, um in die Veränderung zu kommen. Denn nur das, was dir bewusst ist, kannst du auch verändern, wenn du möchtest.
Darüber darfst du folgendes beachten, wenn du deine Essgewohnheiten langfristig verändern möchtest.
Weg vom Essen – Hin zum Verhalten
Du willst deine Essgewohnheiten verändern? Du willst deine Ernährung verändern? Dann hör auf an deiner Ernährung zu schrauben. Wenn sich da jetzt ein Knoten in deinem Kopf zeigt, dann kann ich das gut verstehen. Wie sollst du denn deine Ernährung verändern, wenn du deine Ernährung nicht veränderst?
Vielleicht kennst du das. Du weißt eigentlich, was gesunde Ernährung ist. Du schraubst und drehst an deinem Essen, den Lebensmitteln, der Menge, der Uhrzeit. Aber es fühlt sich schwer an, anstrengend und irgendwann kommt so oft der Punkt, an dem du dich an deine eigenen Vorgaben nicht mehr halten kannst. Genauso ging es mir damals auch. Mir hat dann jemand gesagt: „Katrin, irgendwann wirst du feststellen, dass das Essen an sich gar nicht das Problem ist!“ Ich habe es nicht verstanden. Was sollte denn sonst mein Problem sein?
Heute sehe ich das anders, heute verstehe ich es. Denn Essen ist immer eingebettet in Gewohnheiten und Erlerntem. Essen ist verknüpft mit unseren Gedanken und Gefühlen. Essen ist so viel mehr als reine Energiezufuhr.
Also fang an, deinen Fokus weg vom Essen hin zu deinem Verhalten und deinen Überzeugungen zu legen. So wirst du der Ursache näher kommen und deine Zeit nicht mehr damit verschwenden, erfolglos am Symptom zu schrauben.
Vertrauen statt Kontrolle
Dein Körper ist dein*e Partner*in. Ihr seid ein Team bzw. solltest es unbedingt werden. Du darfst aufhören, deinen Körper bekämpfen zu wollen, ihn anders haben zu wollen. Mit deinem Körper zusammenzuarbeiten ist zentral. Du kannst deinem Körper vertrauen, kann er auch dir vertrauen? Hunger und Sättigung sind beispielsweise natürliche Signale deines Körpers, die du wahrnehmen und ernst nehmen darfst. (Schau hier gerne auch auf meinen Blogartikel „Kein Hunger und Sättigungsgefühl – mögliche Ursachen“). Höre hin und baue Stück für Stück wieder Vertrauen zueinander auf. Das ist die Basis für eine intuitive Ernährungsweise. (Mehr dazu im Blogartikel: “Was ist intuitives Essen? Die 10 Prinzipien im Detail”)
Du selbst statt alle anderen
Vertrauen deinem Körper gegenüber ist ebenso wichtig, wie Vertrauen dir selbst und deinen eigenen Entscheidungen gegenüber. Versuche bei dir zu bleiben, egal was andere sagen. Wenn du aufhören möchtest zu essen, weil du ein Gefühl von Sättigung wahrnimmst, dann darfst du das. Ebenso darfst du weiteressen, wenn du das möchtest. Egal, was die anderen Personen am Tisch machen oder denken oder zu dir sagen. Du bist deine eigene Expertin und weißt, was dir guttut und wie du dich gerade fühlst. Stärke hier dein Gefühl und Selbstbewusstsein und zeige auch Grenzen auf, wenn dies notwendig ist.
Anfangen anstatt Warten
Wenn du etwas verändern möchtest, musst du anfangen. Und zwar jetzt. Du musst nichts vorab erledigen oder noch etwas vorbereiten. Du kannst jetzt starten. Veränderung der eigenen Gewohnheiten braucht Geduld und Verständnis dir selbst gegenüber. Du hast jahrelang dieses Verhalten bzw. diese Gewohnheit für dich etabliert. Dann erlaube dir auch jetzt Zeit dafür einzuräumen und dich nicht unter Druck zu setzen. Es ist völlig in Ordnung, dass es Zeit braucht und ist eher ein gutes als ein schlechtes Zeichen.
Plane bitte auch Rückschläge ein. Tage an denen du denkst, so hatte ich mir das nicht vorgestellt und wieso geht das nicht schneller oder ich schaffe das nie. Du musst Fehler machen, denn nur so kannst du für dich herausfinden, was zu dir, deinem Körper und deinem Leben passt und was du noch verändern möchtest. Fehler machen ist nicht nur erlaubt, Fehler machen ist notwendig.
Flexibilität anstatt starrer Pläne
Deine Ernährung und dein Essverhalten müssen sich in deinen Alltag einfügen. Essen muss also in dein aktuelles Leben passen und nicht umgekehrt. Wenn du ständig damit beschäftigt bist, deine Pläne und Vorgaben irgendwie in deinem Leben unterzubringen, dann wird es auf Dauer anstrengend und ist einfach nicht durchhaltbar. Daran schließt sich dann häufig ein Gefühl von Scheitern oder Versagen an. Dabei ist das eigentlich ein eindeutiges Zeichen, dass dieses Verhalten nicht zu dir, deinem Körper und deinem Alltag passt.
Erlaube und räume dir Flexibilität und Freiheit beim Essen ein, denn nur so kann sich deine Ernährung in deinen Alltag einfügen. Denn dein Leben ist nicht starr, folgt keinen vorgegeben und starren Plänen. Und deshalb muss auch deine Ernährung und dein Essverhalten frei und flexibel sein, damit es sich entspannt und leicht einfügt.
Unterstützung holen statt alleine kämpfen
Gerade wenn wir Gewohnheiten verändern wollen, ist der Blick von außen so wertvoll. Wir sind nun mal in unserem Modus und es fällt oft schwer, sich von außen zu betrachten. Jemanden an seiner Seite zu haben, der/die einen die richtigen Fragen stellt, um so ins Reflektieren und Bewusst sein zu kommen, ist an dieser Stelle sehr hilfreich. Du wirst so viel schneller in die Veränderung kommen können. Zudem ist da jemand, der/die dir zur Seite steht, auch wenn es sich mal schwer anfühlt und Hindernisse im Weg stehen. Und ebenso deine Erfolge und Fortschritte mit dir feiert und diese anerkennt.
Erfolge und Fortschritte
Im Veränderungsprozess haben wir so oft nur die Dinge im Blick, die uns noch nicht passen bzw. die wir noch verändern wollen. Es ist natürlich wichtig, diese zu sehen. Ebenso wichtig ist es aber auch, deine Erfolge und Fortschritte zu sehen. Jeden einzelnen Schritt zu sehen, anzuerkennen und sich auch diesen bewusst zu machen. Ein Erfolg ist ein Erfolg. Wenn du es bspw. das erste Mal schaffst, bei angenehmer Sättigung aufzuhören mit dem Essen, ist das ein Erfolg, den du notieren kannst und auf den du stolz sein kannst. Plane dir dafür auch Zeit ein. Vielleicht kannst du dir jeden Abend die Frage stellen, was habe ich heute gut gemacht? Starte hier gerne mit einem Erfolgstagebuch, wo du dir diese Dinge aufschreibst. Solltest du dann mal einen richtigen schei* Tag haben, kannst du dir diese Liste zur Hand nehmen und sehen, dass es nur ein Tag ist und du schon jede Menge geschafft hast und einfach weiter machen darfst und kannst.
Jetzt du – Komm in die Veränderung
Wie oben schon beschrieben ist der erste und auch wichtigste Schritt, dir bewusst zu werden, was du warum tust. Um zu starten, kannst du mein Tagebuch nutzen. Es unterstützt dich dabei, dich und dein Essverhalten zu reflektieren. Beispielsweise beobachtest du dein Hunger- und Sättigungsgefühl und fragst dich, warum esse ich gerade.
Darüber hinaus bietet die das Tagebuch die Möglichkeit deinen Tag und deinen Alltag insgesamt zu beobachten und zu reflektieren. Das ist so wichtig, damit du verstehst, warum du an gewissen Tagen anders handelst, als an anderen.
Du kannst dir das Tagebuch hier für 0 Euro herunterladen. Normalerweise bekommen dieses Tagebuch nur meine Teilnehmerinnen des Onlineprogramms „Mehr als intuitiv essen lernen“.
Lade es dir jetzt herunter und starte jetzt.
Quellen:
Gätjen, E. (2019): Tischgespräche. Das systemische Konzept in der Ernährungsberatung. Ulmer Verlag.
Titelbild von Priscilla Du Preez (Unsplash)
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